Gesetzesupdate - Implementierung der Richtlinie über transparente Arbeitsbedingungen
1. Umsetzung der Transparenzrichtlinie in Österreich
Mit einiger Verspätung wird die mit 20. Juni 2019 verabschiedete Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (RL 2019/1152/EU) nun in Österreich umgesetzt. Die Änderungen zielen im Wesentlichen darauf ab, den Schutz und die Rechte von Arbeitnehmer*innen zu stärken und gleichzeitig die Transparenz der Arbeitsbedingungen zu verbessern, wobei aufgrund des bereits bestehenden hohen Schutzniveaus in Österreich im internationalen Vergleich nur relativ wenig Änderungsbedarf bestand. Die wichtigsten Änderungen betreffen dabei den Dienstzettel, die Festlegung einer verpflichtenden Übernahme von notwendigen Aus-, Fort- und Weiterbildungskosten durch die Arbeitgeber*innen, die Festlegung des Rechts auf Mehrfachbeschäftigung sowie die Normierung eines Motivkündigungsschutzes in Zusammenhang mit den genannten Rechten der Arbeitnehmer*innen. Im Plenum des Bundesrates wurde bereits beschlossen gegen die Novellierungen keinen Einspruch zu erheben.
Untenstehend dürfen wir Sie über die wichtigsten bevorstehenden Änderungen sowie die damit verbundenen (etwaigen) Konsequenzen informieren.
Dienstzettel
Eine der wesentlichsten Neuerungen betrifft die erforderliche Bereitstellung von Mindestinformationen durch die Arbeitgeber*innen an die Arbeitnehmer*innen zu Beginn des Arbeitsverhältnisses.
Neu ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass nunmehr eine Wahlmöglichkeit der Arbeitnehmer*innen besteht, ob der bis dato physisch auszustellende Dienstzettel entweder physisch oder elektronisch (zB per E-Mail) übermittelt werden soll. Ein Dienstzettel ist jedoch nun auch dann auszustellen, wenn das Dienstverhältnis maximal einen Monat dauert. Die Pflicht zur Ausstellung eines Dienstzettels entfällt daher nur mehr, sofern ein – alle erforderlichen Angaben enthaltender – schriftlicher Arbeitsvertrag ausgehändigt wird.
Besonders wichtig in der Praxis ist zudem, dass - anders als bisher - nun eine Verwaltungsstrafe für die Nichtaushändigung des Dienstzettels verhängt werden kann. Abhängig von der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer*innen sowie dem Umstand, ob es sich um einen Einzel- oder Wiederholungsfall handelt, kann die Geldstrafe zwischen EUR 100,-- und EUR 2.000,-- betragen.
Auch im Hinblick auf den erforderlichen Inhalt des Dienstzettels kam es zu einigen Änderungen. Während am Dienstzettel bisher die Information über den Namen sowie die Anschrift der Arbeitgeber*innen ausreichend war, ist nun zusätzlich auch der Sitz des Unternehmens anzuführen. Dies ist insbesondere für jene Fälle relevant, in welchen der Sitz der Gesellschaft nicht in Österreich ist und als Arbeitgeber*in die österreichische Zweigniederlassung auftritt. Weiters ist neben der vorgesehenen Tätigkeitsverwendung nun auch eine kurze Beschreibung der zu erbringenden Arbeitsleistung in den Dienstzettel aufzunehmen. Darüber hinaus müssen Angaben zu einer allfällig vereinbarten Probezeit, den Bedingungen für die Änderung von Schichtplänen, dem Sozialversicherungsträger, dem einzuhaltenden Kündigungsverfahren, gegebenenfalls zur Art der Entgeltauszahlung und der Vergütung von Überstunden in den Dienstzettel aufgenommen werden. Zusätzlich ist im Dienstzettel eine Information über einen allenfalls bestehenden Anspruch auf eine von dem*der Arbeitgeber*in bereitgestellten Fortbildung aufzunehmen. Anzumerken ist, dass diese erweiterten Inhaltserfordernisse jedoch erst für nach dem Inkrafttreten der Änderungen abgeschlossene Arbeitsverträge gelten, das bedeutet, bestehende Arbeitsverträge müssen nicht angepasst werden.
Es gelten weiterhin auch Sonderregelungen für Arbeitnehmer*innen, die ihre Arbeit länger als einen Monat im Ausland verrichten, wobei diese ebenfalls angepasst wurden.
Entsprechende Änderungen betreffend den Inhalt eines Dienstzettels wurden auch in den Bestimmungen über Dienstzettel für (arbeitnehmerähnliche) freie Dienstnehmer (ABGB) sowie den entsprechenden Bestimmungen über die mit zu überlassenden Arbeitnehmer*innen abzuschließenden Vereinbarungen (AÜG) vorgenommen.
Recht auf Mehrfachbeschäftigung
Aus praktischer Sicht relevant ist auch das nunmehr geregelte Recht auf Mehrfachbeschäftigung. Gab es bisher für ein Nebentätigkeitsverbot keine gesetzlichen Schranken, sondern war hier lediglich ein Sittenwidrigkeitskorrektiv anzuwenden, ist nach der Novelle im Gesetz ausdrücklich ein Recht auf Mehrfachbeschäftigung vorgesehen. Dieses ermöglicht es den Arbeitnehmer*innen zukünftig neben ihrer Beschäftigung bei ihren Arbeitgeber*innen weiteren Nebenbeschäftigungen nachzugehen. Eine Einschränkung dieses generellen Rechts auf Mehrfachbeschäftigung ist im Gesetz nur dann vorgesehen, wenn diese nicht mit den arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen vereinbar sind (wobei alle Beschäftigungen zusammen die arbeitszeitrechtlichen Höchstgrenzen nicht überschreiten dürfen) oder wenn diese der Verwendung im bestehenden Arbeitsverhältnis abträglich sind. Zweiteres zielt im Wesentlichen darauf ab, dass sich die von dem*der Arbeitnehmer*in zusätzlich aufgenommene Beschäftigung nicht nachteilig und unzumutbar auf die Arbeitgeber*innen auswirken darf. Eine derartige nachteilige und unzumutbare Auswirkung kann unter anderem darin bestehen, dass das neu aufgenommene Arbeitsverhältnis im selben Geschäftszweig wie der*die Arbeitgeber*in liegt und daher konkurrenzierend ist. In diesem Zusammenhang wurde auch das in § 7 Angestelltengesetz (AngG) vorgesehene Konkurrenzverbot dahingehend klargestellt, dass dieses unbeschadet des neu geregelten Rechts auf Weiterbeschäftigung weiterhin gilt.
Aus-, Fort- und Weiterbildung
Im Hinblick auf Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, welche eine Voraussetzung für die Ausübung einer arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit darstellen, wurde geregelt, dass diese als Arbeitszeit gelten. Zudem haben Arbeitnehmer*innen Anspruch darauf, dass die Kosten für derartige Maßnahmen von dem*der Arbeitgeber*in getragen werden, sofern die Kosten nicht bereits von einem Dritten (zB vom Arbeitsmarktservice) getragen werden.
Benachteiligungsverbot und Motivkündigungsschutz
Begleitet werden diese Neuerungen von einem Benachteiligungsverbot sowie von einer Erweiterung des Motivkündigungsschutzes. Demnach dürfen Arbeitnehmer*innen auf Grund der Geltendmachung der soeben beschriebenen Rechte weder gekündigt, entlassen noch auf andere Weise benachteiligt werden. Eine aus diesen Gründen erfolgte Kündigung kann weiters beim Arbeits- und Sozialgericht als motivwidrig angefochten werden. In diesem Zusammenhang haben die Arbeitnehmer*innen auch ein Recht, binnen fünf Kalendertagen nach Zugang der Kündigung eine schriftliche Begründung derselben zu verlangen, welche wiederum binnen fünf Kalendertagen auszustellen ist. Der Umstand, dass eine schriftliche Begründung nicht übermittelt wurde, ist für die Rechtswirksamkeit der Beendigung jedoch ohne Belang.
2. Gesetzprüfungsverfahren zu den Bestimmungen betreffend Kündigungsfristen für Arbeiter*innen in Saisonbetrieben
Seit 2021 sieht § 1159 Abs 1 bis Abs 4 ABGB vor, dass für Arbeiter*innen und Angestellte grundsätzlich die gleichen Kündigungsfristen gelten, wobei die Kündigungsfristen für Arbeiter*innen auf jene für Angestellte verlängert wurden. Es ist jedoch in diesem Zusammenhang zusätzlich im Hinblick auf Arbeiter*innen gesetzlich eine kollektivvertragliche Ermächtigung vorgesehen, gemäß der durch Kollektivvertrag für Branchen, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes BGBl. Nr 22/1974, überwiegen, abweichende Regelungen festgelegt werden können (gemeint: kürzere Kündigungsfristen). Hintergrund dieser Regelung ist es, in diesen Branchen relativ kurzfristige Anpassungen des Personalstands zu ermöglichen, um die „typische“ saisonal unterschiedliche Auslastung regulieren zu können.
Den in diesem Zusammenhang bis dato ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidungen (9ObA116/21f, 9ObA137/21v, 9ObA39/23k, 9ObA38/23p) lag stets der Kollektivvertrag für Arbeiter*innen im Hotel- und Gastgewerbe zugrunde, da dieser eine Regelung enthält, die die Kündigungsfrist auf 14 Tage verkürzt und zudem typischerweise eine Branche betrifft, in der es viele Saisonbetriebe gibt. Der Beweis, ob es sich hierbei um eine Branche, in denen Saisonbetriebe im Sinne des § 53 Abs 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG) überwiegen, handelt oder nicht, konnte aber bis dato in keinem Fall bewiesen werden.
Vielmehr gelangte der Oberste Gerichtshof (OGH) in einer aktuellen Entscheidung (14.02.2024, 9 ObA 38/23p) zu der Auffassung, dass die gesetzliche Bestimmung des § 1159 Abs 1 bis Abs 4 ABGB aus seiner Sicht gegen das verfassungsrechtlich verankerte Legalitätsprinzip sowie den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Ersteres begründete der OGH mit der unklaren Formulierung der gesetzlichen Bestimmung, da die gesetzliche Übertragung der Regelungsbefugnis von der Auslegung unbestimmter Begriffe („Überwiegen von Saisonbetrieben“) abhängig sei. Dies führe unter anderem dazu, dass allfällige im Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsvertrages entstehende gesetzliche Ansprüche (wie zB jener auf Kündigungsentschädigung) als nicht durchsetzbar anzusehen seien.
Darüber hinaus verpflichte der Gleichheitsgrundsatz den Gesetzgeber dazu, gleiche Rechtsfolgen an gleiche Tatbestände zu knüpfen, aber bei entsprechenden Unterschieden im Tatsächlichen auch unterschiedliche Regelungen vorzusehen (sachliche Rechtfertigung). Eben dies sei aber durch § 1159 Abs 1 bis Abs 4 ABGB nicht gegeben, da einerseits auch jene Betriebe einer Branche von der Regelungsbefugnis der Kollektivvertragspartner umfasst sind, die keine Saisonbetriebe sind (und somit auch keiner „typischen“ saisonal unterschiedlichen Auslastung unterliegen). Andererseits sei nicht erkennbar, weshalb derartige Betriebe rein aus dem Grund, dass sie einer solchen Branche angehören, einem anderen Regime der Kündigungsfristen und -termine unterliegen sollten, als solche Betriebe, die keiner vergleichbaren Branche angehören.
Aus diesen Gründen hat der OGH nun einen Antrag auf Aufhebung von § 1159 Abs 1 bis Abs 4 ABGB gestellt. Es ist nun Sache, des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) darüber zu entscheiden und vorzusehen, wie eine allfällige Verfassungswidrigkeit beseitigt werden kann.
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