Befristungen und Schwangerschaft
In der Praxis werden Befristungen in Dienstverträgen häufig standardmäßig aufgenommen. Der Oberste Gerichtshof (OGH) strich in zwei aktuellen Entscheidungen (OGH 22.03.2024, 8ObA85/23t; OGH 22.05.2024, 8ObA18/24s) erneut hervor, dass Befristungen bzw. Nichtverlängerungen vor allem gegenüber schwangeren Arbeitnehmerinnen nicht durchsetzbar sein können.
In der Entscheidung OGH 8ObA85/23t befasste der OGH sich mit dem Ablauf einer Befristung bei einer schwangeren Arbeitnehmerin: Das Mutterschutzgesetz normiert in § 10a Mutterschutzgesetz (MSchG) eine Hemmung des Ablaufs eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Dienstverhältnisses von der Meldung der Schwangerschaft bis zum Beginn des Beschäftigungsverbotes. Eine Ausnahme besteht dann, wenn die Befristung aus sachlich gerechtfertigten Gründen erfolgt oder gesetzlich vorgesehen ist. Eine sachliche Rechtfertigung liegt unter anderem dann vor, wenn die Befristung zur Erprobung abgeschlossen wurde und aufgrund der in der vorgesehenen Verwendung erforderlichen Qualifikation eine längere Erprobung als die gesetzliche oder kollektivvertragliche Probezeit notwendig ist. Dies solle eine Umgehung des Mutterschutzes durch den Abschluss befristeter Dienstverträge vermeiden.
Nach Ansicht des Höchstgerichts reiche jedoch die bloße Tatsache, dass die Befristung gerechtfertigt sei, weil die Verwendung eine längere Erprobung erfordere, nicht aus. Vielmehr müsse aus der getroffenen Vereinbarung auch hervorgehen, dass die konkrete Befristung der Erprobung der Arbeitnehmerin diene. Dies könne im Dienstvertrag oder bei Vertragsabschluss gegenüber der Arbeitnehmerin zum Ausdruck gebracht werden.
In der gegenständlichen Entscheidung sei der Arbeitnehmerin bei Vertragsabschluss in keiner Weise vermittelt worden, dass die Befristung der Erprobung dienen würde. Dies würde zur Hemmung der Befristung bis zum Ende des Beschäftigungsverbots führen, wodurch der Arbeitnehmerin die Nachzahlung ihres Entgeltes für diesen Zeitraum gebühre.
Mangels Relevanz für die gegenständliche Entscheidung hat sich der OGH leider nicht damit befasst, ob die Erprobung als Zweck für die Befristung ausdrücklich benannt werden muss oder hier auch eine konkludente Vereinbarung zum Zweck der Befristung denkbar ist.
Eine zweite Entscheidung (OGH 8ObA18/24s) beschäftigte sich ebenfalls mit einer schwangeren Arbeitnehmerin in einem befristeten Dienstverhältnis. Anders als im ersten Fall wurde die Befristung hier ausdrücklich zur Erprobung der Arbeitnehmerin vereinbart. Die Arbeitnehmerin sollte als Schätzmeisterin arbeiten, wofür eine Grund- und eine Spezialausbildung notwendig waren. Vor Ablauf der Befristung im Oktober 2022 teilte die Arbeitnehmerin ihrem Arbeitgeber mit, dass sie die notwendige Schwerpunktausbildung schwangerschaftsbedingt „wahrscheinlich nicht termingerecht“ antreten könne. Nach dieser Mitteilung ließ der Arbeitgeber das befristete Dienstverhältnis auslaufen, da die Arbeitnehmerin die zu besetzende Stelle ohne Schwerpunktausbildung nicht rechtzeitig im Dezember 2022 antreten hätte können. Das Dienstverhältnis endete daher im Oktober 2022.
Daraufhin begehrte die Arbeitnehmerin die Feststellung eines unbefristeten Dienstverhältnisses gemäß § 12 Abs 7 S 2 Gleichbehandlungsgesetz (GlBG). Danach kann auf Feststellung des unbefristeten Bestehens des Dienstverhältnisses geklagt werden, wenn ein befristetes, auf die Umwandlung in ein unbefristetes Dienstverhältnis angelegtes Dienstverhältnis wegen des Geschlechtes nicht verlängert wird.
Ob ein solches auf Umwandlung angelegtes befristetes Dienstverhältnis vorliegt, sei grundsätzlich eine Einzelfallbeurteilung. Der OGH hält jedoch ausdrücklich fest, dass Befristungen zur Erprobung in der Regel auf Umwandlung in ein unbefristetes Dienstverhältnis angelegt seien, wenn sich die Arbeitnehmer*innen in der Probephase bewähren. Es sei davon auszugehen, dass die Arbeitgeber*innen bei zufriedenstellender Leistung während der Befristung eine anschließende unbefristete Beschäftigung beabsichtigen.
Im vorliegenden Fall stritt der Arbeitgeber zudem die Diskriminierung wegen des Geschlechts, die § 12 Abs 7 GlBG verlangt, ab. Er brachte vor, dass er sich für das Auslaufen entschieden habe, weil die Arbeitnehmerin die Schwerpunktausbildung abgelehnt habe. Dem OGH zu Folge habe die Arbeitnehmerin aber lediglich darauf hingewiesen, dass sie die Ausbildung schwangerschaftsbedingt nicht „termingerecht“ wahrnehmen könnte.
In der Reaktion des Arbeitgebers sah der OGH daher eine Diskriminierung der Arbeitnehmerin wegen ihrer Schwangerschaft. Eine Diskriminierung wegen Schwangerschaft sei eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts. Der OGH vertrat daher die Ansicht, dass die Nichtverlängerung des Dienstverhältnisses wegen der Schwangerschaft eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts darstelle.
Daher sei die Klage auf Feststellung nach § 12 Abs 7 S 2 GlBG berechtigt. Der Arbeitgeber unterliege einem Kontrahierungszwang. Er müsse daher das Arbeitsverhältnis, das wegen Geschlechtsdiskriminierung nicht verlängert wurde, schlussendlich als unbefristetes Dienstverhältnis fortsetzen.
Für die Praxis ist daher zum einen darauf Acht zu geben, gegenüber den Arbeitnehmer*innen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eindeutig zu kommunizieren, dass ihre Befristung der Erprobung dient. Zu Beweiszwecken ist empfehlenswert, dies auch ausdrücklich im Dienstvertrag so festzuhalten. Dies steht auch im Einklang mit den neuen gesetzlichen Transparenzbestimmungen, wonach im Dienstzettel nun gemäß § 2 Abs 1 Z 15 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) auch die Dauer und Bedingungen einer vereinbarten Probezeit anzuführen sind. Eine Nichtverlängerung einer zur Erprobung vereinbarten Befristung von schwangeren Arbeitnehmerinnen wird zudem nur dann möglich sein, wenn die Arbeitnehmerin sich als ungeeignet für die Stelle erweist.
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