Ausbildungskostenrückersatz – ist eine Vereinbarung wirksam, die nur durch Arbeitnehmer*innen unterschrieben wurde?
Für von Arbeitgeber*innen finanzierte Ausbildungen werden in der Praxis häufig Ausbildungskostenrückersatzvereinbarungen mit Arbeitnehmer*innen vereinbart. Diese sehen für den Fall der erfolgreichen Absolvierung einer Ausbildung vor, dass Arbeitnehmer*innen unter gewissen Voraussetzungen zur Rückzahlung (eines Teils) der Kosten der Ausbildung verpflichtet werden. Derartige Vereinbarungen unterliegen strengen gesetzlichen Formvorschriften. Vor diesem Hintergrund führt die Geltendmachung des Ausbildungskostenrückersatzes in der Praxis häufig zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. In einer aktuellen Entscheidung (OGH 24.04.2024, 9ObA57/23g) beschäftigte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit der Frage, ob die Vereinbarung zum Ausbildungskostenrückersatz von beiden Vertragsparteien (Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen) unterschrieben werden muss, oder ob es ausreicht, wenn eine Vereinbarung in Textform nur durch Arbeitnehmer*innen unterschrieben wird.
§ 2d Abs 2 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) sieht vor, dass eine Rückerstattung von Ausbildungskosten nur auf Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen zulässig ist.
Im gegenständlichen Fall enthielt der beidseitig unterschriebene Dienstvertrag eines Arbeitnehmers allgemeine Regelungen zum Ausbildungskostenrückersatz. In der Folge wurde im Hinblick auf eine konkrete Ausbildung eine „Rückzahlungserklärung für die Kosten von Ausbildungsveranstaltungen“, durch die Arbeitgeberin erstellt und nur durch den Arbeitnehmer unterschrieben. Das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers endete schließlich durch Arbeitnehmerkündigung. Die Arbeitgeberin begehrte daraufhin auf Basis der Rückzahlungserklärung die Erstattung eines Teils der Ausbildungskosten.
Während das Erstgericht das Zahlungsbegehren der Arbeitgeberin abwies, sah das Berufungsgericht den Schutzzweck einer solchen Vereinbarung zugunsten des Arbeitnehmers als in gleicher Weise erfüllt an, wenn bloß der Arbeitnehmer unterschreibt und die Arbeitgeberin ihre Willenserklärung anders (z.B. mündlich oder konkludent durch Verfassen des Schriftstücks) abgibt.
Der OGH lies in der Folge den Rekurs zu, weil es zur konkreten Frage keine Rechtsprechung gab und erachtete ihn auch als berechtigt.
Ein Vertrag, für den das Gesetz oder der Parteiwille Schriftlichkeit bestimmt, komme nach § 886 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) durch Unterschrift der Parteien zustande. Nur im Einzelfall könne das Schriftlichkeitsgebot auch ohne Unterschrift erfüllt werden, wobei sich diese Ausnahmen nach dem Zweck des jeweiligen Formgebots richten. Beispielsweise reiche dies bei bloßen Informationspflichten, bei welchen es mehr um den Text als die eigenhändige Unterschrift gehe. Im Falle von zweiseitig verbindlichen Verträgen sei dies jedoch nicht möglich; hier müssen beide Parteien den Vertrag unterzeichnen. Bei einseitig verbindlichen Verträgen wurde die Schriftlichkeit sowohl in der Lehre als auch der Rechtsprechung hingegen bereits bejaht, wenn der ausschließlich Verpflichtete unterschreibt und der Berechtigte sich damit, wenn auch formlos, einverstanden erklärt.
Dies gelte nach der Ansicht des OGH jedoch nicht bei einer Rückzahlungsverpflichtung nach § 2d AVRAG. Die Bestimmung stelle zwar eine Schutzbestimmung zugunsten der Arbeitnehmer*innen dar. Doch dürfe daraus nicht der Schluss gezogen werden, die Schriftlichkeit sei nur auf die Unterschriftlichkeit der Arbeitnehmer*innen beschränkt. Es läge keine planwidrige Lücke vor, denn die Schriftlichkeit sei explizit nicht auf die Verpflichtungserklärung der Arbeitnehmer*innen beschränkt. Außerdem läge hinsichtlich des Ausbildungskostenrückersatzes auch keine bloß einseitig verpflichtende Vereinbarung vor; verpflichten sich doch Arbeitgeber*innen dazu, zumindest vorläufig die Kosten der Ausbildung zu übernehmen, gegebenenfalls diese sogar endgültig zu tragen.
Auch der Einwand der Arbeitgeberin, dass der Ausbildungskostenrückersatz bereits im von beiden Parteien unterzeichneten Dienstvertrag zugrunde gelegt worden war und die vom Arbeitnehmer unterfertigte Verpflichtungserklärung bloß eine Konkretisierung dieser Rückersatzvereinbarung darstelle, gehe aus Sicht des OGH ins Leere. Der OGH führte dazu aus, dass dann, wenn das Gesetz eine bestimmte Form vorsieht, diese schriftliche Vereinbarung jedenfalls die wesentlichen Vertragspunkte umfassen müsse. Diese seien in diesem Fall die konkrete Ausbildung und die Gesamtkosten, deren Rückzahlung gefordert werden könne. Diese seien jedoch nicht bereits im Dienstvertrag, sondern erst in der Rückzahlungserklärung enthalten gewesen, weswegen aus dieser Argumentation für die Arbeitgeberin nichts zu gewinnen gewesen sei.
Im Ergebnis führe die Verletzung des Schriftformgebotes zur gänzlichen Unwirksamkeit der Vereinbarung. Der Arbeitgeberin blieb daher ein Anspruch auf Rückersatz der Ausbildungskosten verwehrt.
Diese Entscheidung verdeutlicht einmal mehr die zentrale Bedeutung einer sorgfältig erstellten Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung, da Formfehler in diesem Zusammenhang zur gänzlichen Unwirksamkeit der Rückersatzvereinbarung führen. Durch die nunmehrige Klarstellung ist zwingend darauf zu achten, dass die Vereinbarung sowohl durch Arbeitgeber*innen als auch Arbeitnehmer*innen (grundsätzlich) handschriftlich (jedenfalls vor Beginn der Ausbildung) zu unterfertigen ist.
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